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Squier Telecaster Standard Series - Nachwuchs für den Onkel"11 Gitarren sind genug!", so sprach FrauOnkel schon vor einiger Zeit und erteilte dem Onkel Ebay-Verbot, was dieser nur ungern zur Kenntnis nahm. Bis jetzt hat er sich allerdings brav daran gehalten. Bis jetzt... Gestern hatte DieTochter Übernachtungsbesuch. "Wenn ihr heute morgen Langeweile habt, geht doch mal zum Flohmarkt!", sprach FrauOnkel, stieg in ihr Auto und ließ den Onkel mit drei Kindern allein zurück. Das hätte sie vielleicht besser nicht tun sollen... Ellerau ist ein kleines Dorf im Norden von Hamburg. Wenn da Flohmarkt ist, so treffen sich dort alle Eltern, um nicht mehr benötigtes Spielzeug, Kinderkleidung und anders Zeug anzubieten. Auch das alte Geschirr aus Omas Kindertagen hat den Onkel nicht gereizt und der Rest sowieso. Bis heute...Man kennt das vielleicht: Man kommt irgendwo an, sieht etwas und denkt: "Das ist es!" So geschah es dem Onkel auch heute. Auf einem Tisch erfaßte mein flüchtiger Blick ein altes Volumenpedal. Oh, das Interesse war geweckt! Ein Karton mit einem V-Amp und ein Fender Frontman 25 taten dann ein übriges: Anhalten, gucken, sieh da: Eine Telecaster im Koffer. "Die ist es!", durchfuhr es mich. Zweiter Blick. Aha eine Squier! Vermutlich so ein Billigteil, aber fragen kann man ja mal. "Was soll die Gitarre kosten?" "190!", so sprach das Mädel hinter dem Tapeziertisch. Oh, das erlaubt FrauOnkel... Aber den Onkel ritt der Teufel. "Ist die aus Japan oder aus Indonesien?" "Weiß ich nicht!" Also anfassen (durfte ich... Nein, nein, nicht das Mädel)! Hmm, nicht so schlecht. Umdrehen, aha, Indonesien. Vermutlich bekommt man so eine Axt jetzt als Einsteigerset für 180 Euro. So geht das also nicht. Der Onkel macht ein bedenkliches Gesicht, kann sich aber nicht verkneifen, einen giftigen Pfeil abzuschießen: "Die gibt es neu mit Amp für 180! Für 190 werdet ihr das Teil nicht los!" Denen hab' ich's jetzt aber gegeben! Onkel: Abgang... ...aber der Teufel sitzt mir im Nacken. Arme FrauOnkel! Zweite Runde nach 20 Minuten. Der "Chef" ist da. Nun ist der Preis 150 mit Verstärker oder 120 ohne. Aha! Der Teufel frohlockt! "Willst Du sie mal anspielen? Brauchst Du ein Plektrum?" Nö, der Onkel hat selber und hat sich auf diese Weise schnell als Fachmann geoutet. Macht nichts. Kleine Fachsimpelei: "Kennst Du den oder den?" "Ja klar!" "Preis zu hoch? Mach ein Angebot!" Hmmm, wenn das FrauOnkel... "Hmm... 100?" "Okay!" Bumms! "Du kriegst noch das Volume-Pedal dazu!" Jo, dat nehmen wir doch gerne. Der Onkel macht sich auf den Weg zur Bank. Wie sag ich's bloß...? Die Bank hat leider auf und der Automat funktioniert. Wie sag ich's bloß...? "Her mit der Knete!", sprach der Teufel und derOnkel gehorcht. Wie sag ich's bloß...? Auf dem Rückweg ersinne ich einen teuflischen Plan: Das Pedal braucht derOnkel nicht und folglich (wieder am Stand): "Ist 90 ohne Pedal okay?" "Jo!" und dann sieht man den Onkel mit einem Gitarrenkoffer zwischen den Ständen mit Babywäsche, ausgeleierten Videofilmen, falschem Bleikristall, Nippes und Schund in der Menge verschwinden, einem ungewissen Schicksal entgegen... |
DieTochter ist eine angehende Frau und als solche geschwätzig, wie alle Vertreter ihrer Gattung. Zuhause: "Mama, weißt du waas? Papa hat eine Gitarre gekauft!" FrauOnkel betritt den Keller (nicht um etwas für den Küchenbedarf zu holen). "Was ist den da drin?" Komische Frage für jemanden, der mehr als die Hälfte seines Lebens mit einem Gitarristen verbracht hat! Aber die Falte auf ihrer Stirn verheißt nichts gutes und prompt folgt der unvermeintliche Vortrag über die aktuelle Budget-Lage. Ein Budget, für das im übrigen auch der Onkel seine Zustimmung erteilt hat. Aber als erfahrener Projektleiter hat der Onkel natürlich eine Lösung parat. Wenn das Budget nicht mehr paßt, muß eben ein Exeption-Review gemacht werden. Also holt er tief Luft und öffnet den Koffer... Objekt: Squier Telecaster Standard Series Baujahr: 07/1999 Geburtsort: Indonesien, erworben: Capalaba/Australien Neupreis: vermutlich 250$ Hals: einteilig Ahorn mit Skunk-Stripe, Trussrod zugänglich von der Kopfseite, Fender-Mensur Mechaniken: geschlossen, sehr leichtgängig und stimmstabil Bünde: 21, vintage Korpus: Erle (nach Aussage des Verkäufers), sieht aus wie einteilig, ist aber tatsächlich mehrteilig Brücke: Tele-Standard (String Through) mit 6 Reitern Besonderheiten: Schaller Security-Locks Zustand: Rein optisch gibt es nichts an ihr auszusetzen. Das Finish ist quasi neuwertig. Die Bünde sind nicht abgenutzt. Viel gespielt wurde sie in den 8 Jahren ihres Daseins offensichtlich nicht. Da ihr bisheriges Herrchen seit Äonen in diversen lokalen Bands aktiv ist und über einen entsprechenden Fuhrpark verfügt, ist das aber nicht weiter verwunderlich. Die Saitenlage ist vernünftig eingestellt und erfreulich niedrig. Einen Ibanez-Flitze-Hals hat die Squier jedoch nicht. Die Vintage-Bünde bremsen den Onkel irgendwie. Das kommt wohl davon, wenn man sich immer nur mit alten Arias mit Jumbo-Bünden auseinandersetzt. Die Bünde selber sind sauber eingesetzt und abgerichtet. Da guckt nichts über das Griffbrett raus. Pflaster kann also Zuhause bleiben. Sehr schön! Die Mechaniken lassen sich leicht drehen und erlauben eine präzise Stimmung, die dann auch stabil ist. Sehr schön! Der Korpus scheint, nach einer Klopfprobe, tatsächlich aus echtem Holz zu bestehen, was ein zusätzlicher Blick in das E-Fach bestätigt. Nix mit Pressholz und Fototapete. Sehr schön! Die Elektronik arbeitet einwandfrei. Keine Aussetzer, kein Knacken oder Knistern. Sehr schön! Die Verarbeitung macht insgesamt einen guten Eindruck und das Material scheint auch nicht das schlechteste zu sein. Sehr schön! Da das Instrument bereits 8 Jahre alt ist und sich das Holz bis heute nicht verzogen hat, ist kaum anzunehmen, daß in der Zukunft solche Probleme noch auftreten. Sehr schön! Ein Blick auf die Elektronik offenbart zwei Potis mit einem Kennwert von 500kOhm. Das ist zumindest ungewöhnlich und mag als Hinweis für ein kleines Tonabnehmerproblem gewertet werden. Offenbar ist deren Güte bauartbedingt nicht so groß. Wenn da mit Balkenmagneten unter den Spulen gearbeitet wird, wie bei den meisten Squier-PU's, dämpfen die Weicheisenkerne etwas die Resonanzspitze. Potentiometer mit einem höheren Kennwert können das dann kompensieren. Das klangliche Endergebnis muß dann nicht unbedingt schlechter sein. Beim nächsten Saitenwechsel rückt der Onkel den Tonabnehmern auf den Leib. Wir werden sehen... In der Zwischenstellung brummt es nicht. Einer der Tonabnehmer ist also ein RWRP-Typ und beschert mir hier einen Humbucker-Effekt. Sehr schön! Der Kunstoff-Hartschalenkoffer ist auch in Ordnung. Sogar die Schlüssel sind dabei. Neu muß man so ein Teil wohl mit 40 Euro veranschlagen. Aus optischer und mechanischer Sicht gibt es also nichts an der Tele auszusetzen. Sie ist schon ein kleiner "Hingucker". Klang: In Ermangelung der großen Anlage kommt der Fender Frontman 15 zum Einsatz. Gar nicht mal so schlecht, was da zu hören ist! Der Bridge-PU ist ein gewohnt kräftiges Kerlchen mit einer gehörigen Portion "Twäng". So ist man es von einer Telecaster gewohnt. Sehr schön! Der Neck-PU liefert eine vergleichbare Lautstärke, ist dabei aber wesentlich voller und wärmer. Das schreit förmlich nach einem alten Bassman und 'ner ordentliche Ladung Blues. Sehr schön! Die Zwischenposition klingt ein wenig "hohl", aber nicht so leise, wie echtes Out-Of-Phase. Schnell mal ein paar alte Aufnahmen von Status Quo anhören. Ja, das ist es. Sehr schön! Selbst wenn man dem Frontman seine ganzen 15 Watt abverlangt, bleiben die Pickups ruhig. Mikrofonie, Fragezeichen! Sehr schön! Die Bespielbarkeit ist sehr gut. Der Hals erinnert irgendwie an den meiner Cimar-Strat. Kein Prügel, aber man hat doch was in der Hand. Selbst in den hohen Lagen, kann man noch bequem "arbeiten". Probleme mit der Saitenlage sind nicht festzustellen. Sehr schön! |
Fazit: Nach so viel "Sehr schön!" kann man zwangsläufig nur zum Schluß "Sehr schön!" kommen. Sehen wir uns noch mal den Preis an: 90 Euro, abzüglich 25 Euro für den Koffer (hätte der Onkel sowieso für Yps kaufen müssen), 10 Euro für Security-Locks und 10 Euro für neue Saiten ergeben 45 Euro. Das Teil sieht aus wie Tele, es fühlt sich an wie Tele, es klingt wie Tele. Es muß wohl eine Telecaster sein! Für einen Preis von 45 Euro kann man kaum mehr Telecaster erwarten! Aller Skepsis zum Trotz hat mich dieses indonesische Instrument sehr beeindruckt. Ich hätte nicht erwartet, eine so gute Gitarre vorzufinden! Klanglich füllt "Telly" eine Lücke in meinem Bestand und die entsprechende Ebay-Suche kann jetzt wohl gelöscht werden. Das werde ich zumindest FrauOnkel versprechen. Und bei 45 Euro kann man ja wohl kaum von einem Budget-Problem sprechen. Am Abend hat der Onkel dann im Keller Telly "bewegt". In einer Spielpause stand FrauOnkel plötzlich da: "Die klingt aber nett!" Puh! Exeption-Review bestanden! Aber sie sieht auch nett aus, oder? Ulf |
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