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Die Klangeinstellung in der ElektrogitarreNachdem ich vor einiger Zeit bereits den Artikel "Die Lautstärkeeinstellung in der Elektrogitarre" geschrieben habe, wird es jetzt Zeit, sich mit der Klangeinstellung in der Elektrogitarre zu befassen. Im Vergleich zu dem modernen Bassisten zählt die 6- oder 7-saitige Ausführung dieser Gattung Musiker eher zu den konservativen Puristen. Auch heute noch wird in den meisten Elektrogitarren eine Schaltung verwendet, die in Unwissenheit ihrer eigentlichen Wirkungsweise einfach aus dem Schaltplan eines Radios entnommen wurde. Wie sie und einige ihrer Variationen im Zusammenhang mit dem elektromagnetischen Tonabnehmer einer Elektrogitarre funktionieren, ist Gegenstand dieses Beitrages. Im weiteren Verlauf werde ich vielleicht einige Begriffe verwenden, die dem einen oder anderen fremd sind. Hier hilft dann ein Blick in Guitar-Letter II und III. Alle folgenden Amplitudengänge wurden mit den elektrischen Daten eines Fender Stratocaster-Tonabnehmers simuliert. Der Drehwinkel der Potis wird grundsätzlich in Prozent angegeben, wobei eine logarithmische Charakteristik (10% bei 50% Drehwinkel) verwendet wurde. Die Schaltbilder enthalten auf der linken Seite die Ersatzschaltung eines magnetischen Tonabnehmers mit der Spannungsquelle U0, der Spuleninduktivität Ls, dem Gleichstromwiderstand Rs und der Wicklungskapazität Cs. Als Belastung wurde eine Kabelkapazität CK sowie der Eingangswiderstand Rin und die Eingangskapazität Cin der ersten Verstärkerstufe berücksichtigt. Wie der Klang eines elektromagnetischen Tonabnehmers aus elektrischer Sicht zustande kommt, habe ich in Guitar-Letter II und III ausführlich beschrieben. Wer da noch Nachholbedarf hat, hat dann Futter für die nächsten Abende. ;) Wenn man wissen möchte, wie ein Netzwerk bei Ansteuerung mit verschiedenen Frequenzen reagiert, so verwenden die Elektrotechniker sehr gerne ein sogenanntes Bode-Diagramm, welches aus dem Amplituden- und Phasengang des komplexen Frequenzganges (engl. frequency response) gebildet wird. Für unsere Bedürfnisse ist es ausreichend, nur den Amplitudengang (engl. amplitude-frequency characteristic) zu betrachten. Zum Schluß dieses Artikels finden sich ein paar Überlegungen zur Wahl des richtigen Kondensators für die Tonblende. Wenn man den gängigen Informationen aus dem Internet (und den Händlern) glauben darf, dann gibt es da nur wenige "richtige" Lösungen. Aber stimmt das wirklich? |
2. Die "Revolution": Das TBX-ControlVor ein paar Jahren begann Fender damit, einige Versionen der Stratocaster mit einer neuen Klangeinstellung auszurüsten. Das sogenannte "TBX-Control" ersetzte dabei die herkömmliche Schaltung. Jetzt wurde ein spezielles Tandempoti mit einer Raste in der Mittelstellung verwendet und ein zusätzlicher Widerstand eingebaut. Um die Funktionsweise der Schaltung verstehen zu können, muß man erst einmal wissen, wie dieses Poti aufgebaut ist. Hier ein Ausschnitt aus einem Schaltbild: Abbildung 4: Fender "TBX-Control" Es handelt sich um eine Kombination zweier spezieller Potis auf einer gemeinsamen Achse. Das Potentiometer PT schaltet bei einem Drehwinkel von 50% ab. Dies wird erreicht, indem die Hälfte der Schleiferbahn aus nichtleitendem Material besteht. Für Drehwinkel von 0% bis 50% verändert sich der Wert des Widerstandes von 0 bis zum maximalen Wert. Dieses Teilpoti, das lediglich einen einstellbaren Widerstand darstellt, ist mit einem Kennwert von 250kOhm oder 500kOhm erhältlich. Es übernimmt zusammen mit dem Kondensator CT die Aufgabe der klassischen Tonblende. Das zweite Potentiometer ist ebenfalls mit einer geteilten Schleiferbahn versehen. Allerdings wird hier, statt der nichtleitenden Schicht, Metall verwendet. Das hat zur Folge, daß der Widerstand zwischen 0% und 50% maximal ist und erst ab 50% kontinuierlich auf 0 abnimmt. Dieses Poti hat grundsätzlich einen Kennwert von 1MOhm. Kommen wir jetzt zur Funktion, die in drei Schritten erklärt wird:
Sehen wir uns jetzt einmal die gesamte Schaltung und das Ergebnis der Simulationen an. Zunächst wieder die elektrischen Daten: Ls=2.2H, Cs=110pF, Rs=5.7kOhm, PT=250kOhm, PTb=1MOhm, RD=82kOhm, CT=22nF, RT=0Ohm, PV=250kOhm, CK=700pF, Rin=1MOhm, Cin=0pF Die Schaltung: Abbildung 5: Guitar circuit with "TBX-Control" und dann die dann die Simulationen: Abbildung 6: "TBX-Control" Amplitude-Frequency characteristic Wie erwartet, liefert die Schaltung bei der Einstellung 100% eine größere Spitze (Blau). Sie beträgt in diesem Fall 3.668kHz bei 7,62dB und ist damit größer als bei der Standardschaltung . Bei einem Drehwinkel von 0% ist wieder eine Resonanz vorhanden (Grün). Sie liegt bei 642Hz / 2,7dB. Verglichen mit der "normalen" Tonblende ist hier die Ausprägung gut 2dB schlechter, was auf den dämpfenden Einfluß von RD zurückzuführen ist. Der grundsätzliche Verlauf der Amplitudengänge ist also absolut vergleichbar mit der "normalen"Tonblende. Abbildung 7: "TBX-Control" Linearity vs "Tone" angle In der Linearität erkennt man bei 50% einen deutlichen Sprung. Hier wird PT eingeschaltet und wirkt als zusätzliche Belastung des Tonabnehmers. Die Linearität ist zumindest im Wirkungsbereich der Tonblende nicht so optimal. Der Widerstand RD hat die Aufgabe dafür zu sorgen, daß beim einem Drehwinkel von 50% der schon weiter oben erwähnte Übergang zum reinen Tiefpaßverhalten erfolgt. Betrachtet man den roten Amplitudengang (50%), so ist festzustellen, daß diese Anforderung recht gut getroffen wurde. Fazit: Auch wenn hier kein grundsätzlich neues Verhalten vorliegt, hat Fender seinerzeit für das "TBX-Control" recht heftig Werbung gemacht. In den Prospekten stand zu lesen, daß, ausgehend von der Mittelstellung des TBX, die Höhen oder die Bässe betont werden können. Die Abkürzung TBX steht daher für "Treble Bass Expander". Es gibt ein von Tom Wheeler geführtes Interview mit Dan Smith (Fender) vom 06.04.2004, in dem auch das "TBX-Control" erwähnt wird. Hier ist zu lesen: Zitat Dan Smith (Fender): Die Aussage "At the midpoint - the 5 setting - it was equivalent to a normal control set all the way up, on 10." steht im krassen Gegensatz zu den Ergebnissen der Simulation! Sie wäre grundsätzlich richtig, wenn der Widerstand RD nicht vorhanden, also unendlich groß wäre. In diesem Fall ist die reine Dämpfung von 100% bis 50% jedoch nicht vorhanden. Selbst wenn man den Widerstand nur auf 500kOhm vergrößert, ist die Dämpfung so gering, daß ein signifikanter Effekt wohl kaum wahrzunehmen ist. Die Wirksamkeit des "TBX-Control" würde sich dann auf den Bereich von 0% bis 50% beschränken, was wohl kein Gitarrist wirklich als Vorteil empfinden würde. Es stellt sich jetzt die Frage, wie diese Diskrepanz zu erklären ist? Zwei Möglichkeiten kann man sich vorstellen:
In diesem Zusammenhang ist eine weitere Aussage aus dem Forum Telecaster.com von Bedeutung: Zitat Kevin: Und genau das, zeigen auch die Simulationen! Die durch die Aussagen von Fender erzeugten Erwartungshaltung, in der Position "5" den normalen Sound einer Strat zu haben, konnte vom "TBX-Control" einfach nicht erfüllt werden. Entsprechende Berichte von Besitzern solcher Instrumente sind in mehrfacher Ausfertigung im Internet zu finden. Das "TBX-Control" bietet also nichts wirklich Neues. Die mögliche klangliche Variation ist absolut mit der normalen Tonblende zu vergleichen. Lediglich durch das Abschalten von PT ergibt sich bei 100% Drehwinkel eine etwas größere Resonanzspitze, die als ein leichtes Plus an Höhen wahrgenommen wird. Das eine mit dieser Schaltung ausgerüstete Strat in der Mittelstellung des TBX angeblich wie eine normale Strat klingen soll, ist schlicht und ergreifend falsch, wie man durch den Vergleich des roten Amplitudenganges mit dem blauen Amplitudengang der Standardschaltung leicht feststellen kann. Aus technischer Sicht muß man also ganz klar sagen, daß man das "TBX-Control" am besten da läßt, wo es jetzt ist: Im Mülleimer der Geschichte der Gitarrenelektronik! Jetzt gibt es sicherlich den einen oder anderen Besitzer eine Gitarre mit "TBX-Control", der ziemlich verunsichert ist. "Muß ich das Ding jetzt austauschen?", könnte da die Frage lauten. Dazu lautet meine Antwort: "Nein!" Wie dargelegt wurde, ist die Wirkungsweise von Tonblende und "TBX-Control" gleich. Es besteht also kein unmittelbarer Grund etwas auszutauschen. Wer seinerzeit jedoch ein "TBX-Control" erworben hat, der hat für die gleiche Funktion eben ein wenig mehr bezahlt. Wer heute jedoch mit dem Gedanken spielt, sich ein solches Poti zu kaufen, der sollte davon Abstand nehmen, denn es gibt deutlich billigere Lösungen! |
3. Delta Tone: Die Tonblende mit NoLoad-PotiEs scheint so, als ob Fender das Problem mit dem "TBX-Control" wohl auch erkannt hat, denn im Laufe des Jahres 1997 wurde das teure "TBX-Control" durch das wesentlich billigere "Delta Tone System" ersetzt, welches mit einem sogenannten "NoLoad-Poti" arbeitete. Es handelt sich dabei eigentlich nicht um ein Potentiometer, sondern um einen abschaltbaren veränderlichen Widerstand. Eine mögliche Begründung für die Einführung des "Delta Tone" findet sich ebenfalls in Telecaster.com. Hier wurde Mr. Gearhead zitiert. Sein originaler Post ist leider nicht auffindbar. Zitat Mr. Gearhead: Also hatte Fender "heißere" Tonabnehmer, sprich mit höherer Windungszahl, verwendet, die aufgrund des größeren Gleichstromwiderstandes die Resonanzspitze stark dämpften. Um die gleichen "bissigen" Höhen für eine unverzerrten Betrieb zu erreichen, mußte also die Belastung des Tonabnehmers bei Bedarf verringert werden können. Das wurde mit der Abschaltung der Tonblende erreicht. Bei Gitarren mit Humbuckern geht man einen ähnlichen Weg: Man verwendet einfach Potentiometer mit einem größeren Kennwiderstand! Man kann sich leicht selber ein solches NoLoad-Poti machen, indem man die Widerstandsbahn eines normalen Potis an einem Ende unterbricht. Bewegt man den Schleifer über diese Stelle hinweg, so wird der Widerstand dann effektiv unendlich groß. Aufgrund dieser Eigenschaft kann das NoLoad-Poti nicht für die Lautstärkeeinstellung verwendet werden! Hier zunächst die elektrischen Daten der Schaltung: Ls=2.2H, Cs=110pF, Rs=5.7kOhm, PT=250kOhm, CT=22nF, RT=0Ohm, PV=250kOhm, CK=700pF, Rin=1MOhm, Cin=0pF und das Ersatzschaltbild: Abbildung 8: Guitar circuit with Delta Tone Verglichen mit dem umfangreichen "TBX-Control" ist das Delta Tone erfrischend simpel. Es erfordert nur ein besonderes Potentiometer und wird daher mit Sicherheit deutlich billiger in der Produktion sein. Aber nun zum Ergebnis der Simulationen: Abbildung 9: "Delta Tone System" Amplitude-Frequency characteristic Man erkennt, daß der blaue "Berg" im Amplitudengang jetzt mit 3.694kHz / 8,66dB noch größer als beim "TBX-Control" ist. Diese Eigenschaft ergibt sich aus der Tatsache, daß nun das Poti "ausgeschaltet" ist und die gesamte Tonblende nicht mehr den Tonabnehmer belastet. Abbildung 10: "Delta Tone System" Linearity vs "Tone" angle In der Linearität erkennt man, daß ganz am rechten Rand die Kurven einen leichten Sprung haben. Hier ist also der Schaltvorgang in seiner Auswirkung zu erkennen. Darüber hinaus ist hier nichts neues zu bemerken. Fazit: Die Verwendung des NoLoad-Potis erzeugt in der 100%-Stellung gegenüber der Standardschaltung eine um 4 bis 5 dB höhere Resonanzspitze. |
6. Muß es unbedingt TBX, Delta Tone oder Greasebucket sein?Diese interessante Frage stellt man sich spätestens, wenn man sich den Preis für ein TBX-Poti ansieht. Auch die Sprunghaftigkeit von NoLoad und "TBX-Control" mag dem einen oder anderen nicht so recht gefallen. Gibt es Alternativen? Die Antwort lautet eindeutig: "Ja!" Und ein altes Sprichwort sagt: "Warum in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah?" Getreu diesem Motto nehmen wir einfach die "normale" Tonblende und "spielen" ein wenig mit den Werten der einzelnen Bauelemente. Abbildung 14: Standard Tone (Standard Wiring) Folgende Werte wurden in den Simulationen nicht verändert: Ls=2.2H, Cs=110pF, Rs=5.7kOhm, CK=700pF, Rin=1MOhm, Cin=0pF Die Ergebnisse wurden in der folgenden Tabelle zusammengefaßt. Man findet in Klammern die Werte der betreffenden Variante, die es nachzubilden gilt. Tabelle 2: Die "klassische" Tonblende im neuen Gewand
Man erkennt, daß sich das gewünschte Verhalten der einzelnen Variation auch immer mit der "klassischen" Variante erreichen läßt. Aus dieser Tatsache läßt sich jedoch nicht der Schluß ableiten, daß die anderen Varianten grundsätzlich schlecht wären! Ob eine Tonblende gut oder schlecht arbeitet, muß vielmehr immer im Kontext mit dem Instrument, seiner elektronischen Schaltung und den verwendeten Tonabnehmern betrachtet werden. Es kommt also immer darauf an, was man erreichen möchte. Ist es das Ziel ein Instrument zu schaffen, welches sehr gut im verzerrten Betrieb arbeitet, dann ist eine zu große Resonanzspitze meistens kontraproduktiv. Aus diesem Grund wird man dann eher zu einem hochohmigeren Tonabnehmer mit größerer Induktivität greifen. Vergleichbares läßt sich auch durch einen parallelen Lastkondensator erreichen. Informationen dazu sind in Guitar-Letter II zu finden. Im verzerrten Betrieb sind zu starke Tiefmitten (200 - 700Hz) auch nicht brauchbar, denn sie führen häufig zum sogenannten "Matschen". Möchte man dann der Tonblende einen sinnvollen Einstellbereich geben, ist es unter Umständen sinnvoll die Resonanzspitze bei 0% Tone zu dämpfen, wie es zum Beispiel beim "Greasebucket™ Tone Circuit" durch den Widerstand gemacht wurde. Fazit: "TBX-Control", "DeltaTone" und "Greasebucket™ Tone Circuit" sind allesamt schöne Schlagworte aus der Marketingabteilung, die nur dazu dienen sollen, ein schon bekanntes Verhalten unter einem neuen Namen teuer zu verkaufen! Etwas wirklich Neues hat der betreffende Hersteller der Welt mit diesen Produkten leider nicht geschenkt, denn alle Schaltungen machen genau dasselbe! Wenn man sich die Ergebnisse aus Tabelle 2 einmal genauer ansieht, so muß man sich wirklich fragen, warum Fender mit diesen drei (anscheinend sinnlosen) Varianten auf den Markt gekommen ist? Wenn es nur darum ging, den Umsatz durch die Erfindung ein paar neuer Begrifflichkeiten anzukurbeln, so ist das in gewisser Weise normal. Ein vergleichbares Verhalten findet man durchaus auch bei anderen Herstellern. Daß dabei die Tatsachen manchmal ein wenig auf der Strecke bleibe, gehört (leider) häufig zum guten Ton. Interessanterweise steht bei Fender hinter jedem neuen Begriff tatsächlich eine technische Veränderung, die in ihrer Wirkung freilich nichts neues darstellte. Unterstellt man, daß hinter jeder technischen Änderung tatsächlich die Motivation stand, Dinge zu verbessern (vergrößerte Spitze bei 100% Tone, verringert Spitze bei 0% Tone), so muß man sich jetzt fragen, warum man das nicht einfach mit der "klassischen" Schaltung gemacht hat? Ich persönlich würde behaupten, daß man an dem Beispiel der verschiedenen Tonblenden von Fender ganz deutlich den Unterschied zwischen "Bastelei" und gezielter Entwicklung sehen kann, denn wenn man die Schaltung einmal berechnet hätte, wie ich es getan habe, so müßte man zwingend auch zu dem gleichen Schluß gekommen sein. Und der lautet: Die klassische Schaltung der Tonblende nach Abbildung 14 ist nach wie vor vollkommen ausreichend, bietet eine ausreichende Flexibilität und stellt auch die mit Abstand kostengünstigste Lösung dar! |
7. "Gebremste" TonblendeIn Kapitel 1 wurde dargelegt, daß die klassische Tonblende im Grunde genommen drei Arbeitsbereiche aufweist:
Hier noch einmal die Amplitudengänge: Abbildung 15: Standard Tone Amplitude-Frequency characteristic Auch wenn den meisten Anwendern die Lage der Endresonanz als zu "dumpf" erscheint, besteht der wesentliche hörbare Effekt der Tonblende im "Umschalten" zwischen den beiden Resonanzen. Mancher mag den Wunsch verspüren, die Endresonanz vollständig zu unterdrücken und vieleicht sogar den Bereich der reinen Tiefpaßwirkung auszusparen. Das macht insbesondere im Zusammenspiel mit dem sogenannten C-Switch Sinn, denn dann wird ja nur die Anfangsresonanz gedämpft und die Schaltung arbeitet quasi wie ein Equalizer mit fester Mittenfrequenz. Allerdings liegt hier nach wie vor ein Tiefpaßverhalten vor. Das eben skizzierte Verhalten läßt sich erreichen, wenn man dafür sorgt, daß auch in der "Nullstellung" der Tonblende noch ein Widerstand quasi "übrig" ist. Zu diesem Zweck nutzen wir den schon erwähnten Widerstand RT. Abbildung 16: Standard Tone (Standard Wiring) Ausgehend von den schon bekannten Werten Ls=2.2H, Cs=110pF, Rs=5.7kOhm, PT=250kOhm, CT=22nF, RT=0Ohm, PV=250kOhm, CK=700pF, Rin=1MOhm, Cin=0pF wurde RT mit Hilfe von Simulationen so definiert, daß das gewünschte Verhalten entsteht. Hier ist das Ergebnis für RT=47kOhm: Abbildung 17: Tonblende zur Dämpfung der Anfangsresonanz. Man erkennt, daß sich die Bandbreite im Grunde genommen nicht verändert. Es wird also tatsächlich nur die Güte und damit die Ausprägung der Resonanz verringert. Gleichzeitig erhöht sich die Ausprägung der Anfangsresonanz etwas, da der Tonabnehmer jetzt ja nicht mehr mit 250kOhm, sondern nur noch mit 297kOhm durch die Tonblende belastet wird. Interessant ist jetzt ein Blick auf die Linearität der Tonblende. Sie ist im folgenden Bild dargestellt: Abbildung 18: Linearität der "gebremsten" Tonblende Die durch die blaue Kurve dargestellte Absenkung der Anfangsresonanzfrequenz zeigt ein ausgesprochen lineares Verhalten. Mit einem Wert von 99,9% kann man diesen Verlauf ruhigen Gewissens als absolut linear bezeichnen! Diese Konfiguration ermöglich also ein sehr feinfühliges Einstellen der Güte, wie sie mit der Standard-Tonblende nicht möglich ist. Man sollte sich von dieser Variante jedoch keinen allzugroßen Effekt versprechen. Während typische graphische Equalizer mit einem Einstellbereich von +/-15dB aufwarten, was insgesamt einem Hub von 30dB entspricht, kann mit dieser Art der Tonblende lediglich ein Bereich von knapp 9dB verändert werden. Hier geht es also wirklich um Nuancen! Mit Hilfe von RT kann das Verhalten der Tonblende in der Endstellung beliebig festgelegt werden. Wer auch noch die Absenkung der Grenzfrequenz "mitnehmen" möchte, der wählt dann eben einen etwas kleineren Widerstand und vergrößert so den hörbaren Effekt. "Ja, aber welchen Widerstand soll ich denn nehmen?", wird jetzt wohl die große Frage lauten. Tatsächlich kann man diesen Wert natürlich berechnen, wenn man weiß wie! Für die meisten gitarrespielenden Gelegenheitselektroniker wird das jedoch ein großes Problem sein, was nicht unbedingt der weit verbreiteten Abneigung gegen die Mathematik zuzurechenen sein dürfte. Am besten probiert man es einfach aus, denn je nach Tonabnehmer und Kennwiderstand der Potentiometer können andere Werte notwendig sein und schlußendlich ist Klangempfinden Geschmackssache. In der Praxis kann man für RT Werte zwischen 10kOhm und 100kOhm ausprobieren. Bei Potis mit 250kOhm sind eher geringere Widerstände gefragt; in der Paula und ihren Artgenossen muß dann etwas mehr Widerstand "geleistet" werden. Ich persönlich bin von dieser Art der Tonblende nicht so überzeugt. Ich haben sie in meiner "Aria Pro II ES-700" zusammen mit einem C-Switch eingesetzt. Die hörbare klangliche Veränderung ist wirklich minimal. Wenn man den C-Switch so dimenioniert, daß die Resonanzfrequenz weit genug herunterreicht, kann man grundsätzlich die gleichen Klänge einstellen, wie mit einer normalen Tonblende, allerdings ist die Bedienung eines Drehschalters im Spielbetrieb schwieriger als der "schnelle Dreh" an der Tonblende. Ich verwende daher lieber die normale Tonblende mit einem etwas kleineren Tone-Kondensator und kombiniere das ganze dann mit einem C-Switch. |
8. Die Wahl des "richtigen" TonkondensatorsDie Auswahl eines geeigenten Kondensators für die Tonblende scheint ähnlichen Mysterien zu unterliegen, wie die Frage nach dem Tonabnehmer mit dem "richtigen" Sound. "Bumble Bee", "Tropical Fish" und "Orange Drop" sind nur einige Begriffe, die in diesem Zusammenhang immer wieder fallen. In den dazugehörenden Diskussionen werden den verschiedenen Kondensatortypen durchaus unterschiedliche klangliche Eigenschaften zugeordnet. Interessanterweise kommen die - elektrotechnisch meist ungebildeten - Diskutanten häufig zu ganz verschiedenen Ergebnissen. Zieht man dann noch in Betracht, daß die elementarsten Eigenschaften eines Kondensators, nämlich seine Kapazität und deren Toleranz, in der Regel in den Diskussionen keine Rolle spielen, so muß man aus technischer Sicht zu dem Schluß kommen, daß die entsprechenden Ergebnisse durch die Bank weg haltlos sind. Das häufig gebrachte Argument "Aber ich höre es doch!" ändert an diesem Sachstand wenig, bietet den betreffenden Zeitgenossen aber immerhin die Möglichkeit, sich auf eine quasi uneinehmbare Position zurückzuziehen! Wenn wir über den Einsatz von Kondensatoren reden, dann muß man zunächst zwei Dinge unterscheiden:
Wie auch immer man es beginnt, eine Mischung dieser beiden Punkte sollte man unbedingt vermeiden! Im Laufe der Entwicklung sind eine ganze Reihe verschiedener Kondensatortypen entstanden, die sich im Wesentlichen durch das verwendete Dielektrikum unterscheiden. Um es gleich vorweg zu sagen: Den idealen Kondensator gibt es leider immer noch nicht! Je nach Wahl und Anwendungsfall muß man mit mehr oder weniger starken parasitären Effekten rechnen. Zu diesem Thema gibt es reichlich Literatur. Ich möchte auf diese Problematik hier also nicht weiter eingehen. Folgt man der reinen Lehre, wie sie für die Verarbeitung von Audio-Signalen und mehr noch in der Meßtechnik gilt, dann sind Kondensatoren mit elektrolytischem oder keramischem Dielektrikum geradezu verboten. Insbesondere keramische Kondensatoren weisen eine ganze Reihe von nichtlinearen Effekten auf, die sich durchaus klangbeeinflussend bemerkbar machen können. Ähnliches gilt für die sogenannten Elkos, die nur geoplt betrieben werden dürfen. Aus diesem Grund werden in den Signalwegen hochwertiger Audioschaltungen nur gute Folienkondensatoren verwendet. Aber auch hier gibt es solche und solche. Ein wichtiges Kritierium ist hier die sogenannte "Dielektrische Absorption". Helmuth Lemme schreibt dazu auf seiner Webseite im Artikel "Kondensatoren als Störenfriede": Die Dielektrische Absorption verhindert bei Beaufschlagung mit Wechselspannung eine vollständige Volladung und Entladung. Wenn sich das Signal umpolt, dann erzeugt sie einen verzögerten Strom mit der vorhergehenden Polarität; es ergibt sich ein Hystereseeffekt, der mit zunehmender Frequenz stärker wird. Die klangliche Wirkung bei einem HiFi-Verstärker ist ein Verlust an Detailtreue; die Wiedergabe wirkt unpräzise, komprimiert, der Dynamikbereich verringert sich, der Rauschuntergrund steigt an. Kondensatoren mit einem Dielektrikum aus Polypropylen weisen diesbezüglich die besten Werte auf. Sie liegen, laut Wikipedia, zwischen 0,01 bis 0,05%. Der deutsche Hersteller Wima gibt hier einen Bereich von 0,05 bis 0,10% an. Zum Vergleich: Aluminium-Elkos weisen Werte bis zu 15% auf! 8.1 Was "hört" man denn (nicht)?Bevor man daran geht, mit einer Kiste Kondensatoren in der Hand, ein Hörexperiment zu machen, sollte man die Frage stellen, ob es denn überhaupt etwas zu hören gibt? Zu diesem Zweck schaltet man am besten das Gehör aus und den Rechner an. Mit ihm kann man nämlich auch ganz gute Experimente machen! Zunächst geht es darum, die Wirkung verschiedener Kapazitäten in der Tonblende im Hinblick auf die Resonanzfrequenz und ihre Ausprägung zu beurteilen. Zu diesem Zweck wurde von den schon bekannten Werten ausgegangen: Ls=2.2H, Cs=110pF, Rs=5.7kOhm, PT=250kOhm, RT=0Ohm, PV=250kOhm, CK=700pF, Rin=1MOhm, Cin=0pF Für den Kondensator CT wurden jetzt 15 verschiedene Werte eingesetzt und anschließend die Resonanzfrequenz und die Spitze errechnet. Dabei wurde die Tonblende einmal ganz auf (100%) und dann ganz zu (0%) gemacht. Tabelle 3: Tonblende mit verschiedenen Kapazitäten
Diskutieren wir zunächst das Ergebnis bei 100% Tonblende. Dazu sehen wir uns die Ergebnisse auch in graphischer Form an: Abbildung 19: Resonanzen der "offenen" Tonblende bei verschiedenen Kapazitäten Generell kann man sagen, daß die Resonanzfrequenz proportional mit der Kapazität ansteigt und die Resonanzspitze dafür kleiner wird. So bemerkenswert ist das jedoch nicht, denn für die Resonanzfrequenzen lassen sich ein Mittelwert von 3,529kHz und eine Streuung von nur 20Hz bestimmen. Man kann also durchaus sagen, daß sich hier eigentlich nichts verändert. Die relative Änderung beträgt maximal 0,6%. Auch bei der Spitze der Resonanz liegt eine äußerst geringe Streuung von 0,05dB vor. Jetzt stellt sich die Frage, ob man diese geringen Unterschiede überhaupt hören kann? Zur Beantwortung dieser Frage nutzen wir die logarithmische Maßeinheit "Cent" für musikalische Intervalle. In Wikipedia war dazu am 11.03.2010 folgendes zu lesen: ... daß der kleinste erkennbare Frequenzunterschied für Sinustöne beim Menschen bei Frequenzen ab 1000 Hz bei etwa drei bis sechs Cent liegt. Geringere Intervallunterschiede werden beim Nacheinander-Erklingen der Töne nicht mehr erkannt. Wendet man diese Schwelle auf unsere Ergebnisse an, so ist festzustellen, daß 10 von 14 Unterschieden nicht mehr wahrzunehmen sind! Aber auch hier ist Vorsicht angebracht, denn diese Wahrnehmungsschwelle basiert darauf, daß zwei Frequenzen in einem bestimmten Verhältnis real als Schallereignis existieren. Bei der Tonblende geht es jedoch um eine Filterwirkung, mit der ein Schallereignis bewertet wird. Beinhaltet das Signal im fraglichen Frequenzbereich keine spektralen Anteile, so wird man die Betonung selbstverständlich nicht wahrnehmen, denn wo nichts ist... Zu ähnlichen Schlüssen gelangt man, wenn man sich die Änderung der Resonanzspitze ansieht: Von 1nF nach 1,5nF beträgt sie 0,97%. Aber schon ab 5,6nF sind wir mit 0,05% bei deutlich geringeren Verhältnissen. Aus den vorliegenden Ergebnissen kann man dann nur zu einem Schluß kommen: Mit einer "offenen" Tonblende (100%) lassen sich die klanglichen Auswirkungen unterschiedlicher Kapazitäten für den Tonkondensator nicht mehr wahrnehmen! Kommen wir nun zum Fall der "geschlossenen" Tonblende. Hier sind nun deutliche Unterschiede festzustellen, wie das folgende Bild zeigt! Abbildung 20: Resonanzen der "geschlossenen" Tonblende bei verschiedenen Kapazitäten Die Erklärung dieses Verhaltens wurde bereits in Kapitel 1 gegeben. Hier bleibt also nur folgendes festzustellen: Mit einer "geschlossenen" Tonblende (0%) üben unterschiedlicher Kapazitäten für den Tonkondensator starken Einfluß auf den Klang aus! Damit ist nachgewiesen, daß man den Einfluß des Tonkondensators nicht bei "offener", sondern im bestem Fall bei "geschlossener" Tonblende beurteilen kann. Kommen wir nun zu "dem" Klassiker schlechthin: Man kauft sich verschiedene Kondensatoren mit gleicher Nennkapazität und vergleicht ihren klanglichen Einfluß miteinander. Wie schon im vorhergehenden Experiment vernachlässigen wir wieder irgendwelche nichtlinearen Effekte, die auf Konstruktion oder Materialauswahl der verschiedenen Kondensatoren beruhen. "Unsere" Kondensatoren unterscheiden sich lediglich durch ihre Kapazität, denn die tatsächliche Kapazität eines Kondensators kann um bis zu 20% von seinem Nennwert abweichen! Wir gehen von einer Nennkapazität von 22nF aus und berechnen wieder Resonanzfrequenz, Güte und die Abweichung für die beiden Fälle Tone=100% und Tone=0%: Tabelle 4: Tonblende mit "gleichen" Kapazitäten
Wie zu erwarten war, sind Unterschiede wieder nur bei "geschlossener" Tonblende wahrzunehmen! Aufgrund der deutlich geringeren Variation der Kapazität sind die Unterschiede generell sogar deutlich geringer als in Tabelle 3. Betrachten wir die beiden Extremfälle 17,6nF und 26,4nF, dann wird man diesen Unterschied sicherlich als Nuance wahrnehmen! Wer also Kondensatoren gleicher Nennkapazität von verschiedenen Herstellern und mit unterschiedlichen Dielektrika miteinander vergleicht, der wird in aller Regel denn Effekt der Streuungen wahrnehmen. Ich habe in solchen Diskussionen noch nie gelesen, daß die betreffenden "Fachleute" tatsächlich die Kapazitäten bestimmt und zum Vergleich nur Bauelemente mit der gleichen Kapazität verwendet haben! Macht man das nicht, so ist ein solcher Vergleich einfach nur unseriös und führt prompt zu falschen Schlußfolgerungen! So ein Vorgehen wird nur noch von einem Vergleich unterschiedlicher Dielektrika mit verschiedenen Nennkapazitäten übertroffen. Die Sache mit den Äpfeln und Birnen ist dagegen harmlos! Wer die entsprechenden Höreindrücke dann mit den unterschiedlichen Dielektrika in Verbindung bringt, legt damit nur eindeutig seine fachliche Unwissenheit dar! 8.2 Nichtlineare EffekteZunächst ja, es gibt nichtlineare Effekte bei Kondensatoren. Je nach Bauform und Dielektrikum sogar unterschiedliche. Sie verursachen letztendlich nichts anderes als Klirrfaktor. Ob wir das Ergebnis dann als wohlklingend oder als Geräusch empfinden, hängt immer vom Einzelfall ab. Klirrfaktor selber ist für den Gitarristen ja nichts Schlechtes, sonst würden sich Overdrive, Fuzz & Co. ja nicht seit Jahrzehnten so großer Beliebtheit erfreuen. Die Frage ist nur, ob sich der nichtlineare Effekt eines Kondensators in der Tonblende überhaupt hörbar auswirken kann? Eine Möglichkeit, einen nichtlinearen Effekt beim Kondensator zu modellieren besteht darin, einen spannungsabhängigen Widerstand parallel zu einem idealen Kondensator zu schalten. Man erzeugt dadurch quasi einen Kondensator mit einem spannungsabhängigen Leckstrom. Jetzt schauen wir mal, unter welchen Bedingungen so ein Verhalten negativ auffallen würde: Bei einer Frequenz von 1kHz und einer Kapazität von 22nF beträgt der Blindwiderstand des Kondensators 7,2kOhm. Wir nehmen eine Veränderung von 1% an. Dann wäre der Widerstand der Parallelschaltung aus idealem Kondensator und spannungsabhängigem Widerstand 7,16kOhm. Das führt dann zu einem Widerstand von 716kOhm. Lassen wir 2% zu, dann kann der gesamte Widerstand um +/- 1% schwanken. Der spannungsabhängige Widerstand würde dann zwischen 350kOhm und 716kOhm schwanken und sein Mittelwert betrüge 535kOhm. Bei einer Frequenz von 10kHz sinkt dieser Wert sogar auf 53kOhm! Ein solcher Kondensator wäre, aufgrund dieser Verluste, schlicht und ergreifend unbrauchbar! Gängige Kondensatoren haben hier Werte im Bereich von mehreren Megaohm. Ein solcher spannungsabhängiger Widerstand wird sich also nicht "störend" bemerkbar machen. Erst recht nicht, da der Kennwiderstand des Potis mit 250kOhm oder gar 500kOhm schon um den Faktor 30 bis 60 größer ist, als der Blindwiderstand des Kondensators. Einige keramische Kondensatoren zeigen einen spannungsabhängigen, nichtlinearen Verlauf der Kapazität. Ursache ist eine spannungsabhängige Dielektrizitätszahl. In der Folge kann die Kapazität bei Nennspannung gegenüber einer Prüfspannung von 1V um bis zu 90% absinken! Unterstellt man exponentielle Verhältnisse, dann kann die Kapazität im Bereich bis zu 2,5V durchaus um bis zu 10% absinken. So hohe Spannungen liegen am Tonkondensator aber nie an, denn er bildet ja mit dem Poti einen Spannungsteiler. Bei 1kHz und 250kOhm beträgt der Teilungsfaktor dann 0,028. Von maximal 2,5V bleiben dann nur noch 70mV übrig. Dazu gehört dann eine Kapazitätsabweichung von rund 0,26%. Ob man diesen Effekt wirklich wahrnimmt ist fraglich, insbesondere da die mittlere Signalspannung einer Elektrogitarre deutlich geringer ist als 2,5V. Anders sieht es aus, wenn die Tonblende "zu" ist. Dann können die 10% Abweichung durchaus hörbar werden, wie schon in Tabelle 4 dargelegt wurde. Da die Signalspannung im Mittel aber deutlich kleiner ist, kann man eher mit einer prozentualen Abweichung von 1% rechnen. Wenn dieser Effekt also wahrzunehmen ist, dann höchstens als Nuance bei sehr dynamischem Spiel! Trotz ihrer schlechten Eigenschaften findet man keramische Kondensatoren auch in hochwertigen Audioschaltungen als Ablockkondensatoren. Aus Wechselspannungssicht liegen sie dann parallel zur Signalquelle. Da die Quellen aber in der Regel recht starke Spannungsquellen mit kleinem Innenwiderstand sind, wird die eingeprägte Spannung durch den Kondensator nicht nennenswert verfälscht. Das schändliche Treiben dieser Kondensatoren fällt also nicht auf! Problematisch wird es nur, wenn Kondensatoren mit starken nichtlinearen Eigenschaften im direkten Signalweg (in Spannungsteilern und Filtern) eingesetzt werden. Hier können sie sich im wahrsten Sinne hörbar bemerkbar machen und sind aus diesem Grunde dort verpönt! 8.3 Der Einfluß des Tonkondensators auf die LinearitätNachdem geklärt wurde, wie sich der Tonkondensator bei feststehendem Potentiometer verhält, bleibt nun noch die Frage offen, ob sich unterschiedliche Kapazitäten auf das Einstellverhalten - also die Linearität - auswirken? Zur Klärung dieser Frage werden zwei Simulationen der Linearität gemacht, wobei wir uns auf die Anfangsresonanz beschränken (zur Erklärung siehe Kapitel 1), da ihr Verlauf sehr deutlich die Absenkung einer festen Frequenz zeigt, die wir im Allgemeinen mit den "Höhen" assoziieren. Dabei wurde wieder von folgenden Werten und der Standard-Tonblende gemäß Abbildung 1 ausgegangen: Ls=2.2H, Cs=110pF, Rs=5.7kOhm, PT=250kOhm, RT=0Ohm, PV=250kOhm, CK=700pF, Rin=1MOhm, Cin=0pF Als Tonkondensator wurden 10nF, 22nF, 33nF und 47nF verwendet. Sehen wir uns zunächst den Verlauf bei Verwendung eines linearen Potentiometers an: Abbildung 21: Linearität der Anfangsresonanz mit linearem Potentiometer Ganz augenscheinlich ist die Linearität insgesamt sehr schlecht. Sie liegt zwischen 62,3% (47nF) und 70,4% (10nF) was als deutlicher Hinweis darauf gewertet werden kann, daß die Verwendung eines linearen Potentiometers im Hinblick auf eine gleichmäßige Einstellbarkeit wohl nicht die beste Wahl darstellt. Aber das ist ja nicht unser Punkt, denn wir suchen ja Unterschiede. Diese finden sich lediglich in einem kleinen Bereich von 0% bis 4% des Drehwinkels. Das wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Betätigen der Tonblende nicht wirklich wahrnehmen! Anders sieht es bei der Verwendung eines logarithmischen Potentiometers aus. Hier wurde mit einer Progression von 20% simuliert. Abbildung 22: Linearität der Anfangsresonanz mit logarithmischem Potentiometer (20%) Wie man sieht, ist die Linearität insgesamt deutlich besser. Sie reicht von 86,3% (47nF) bis 94,1% (10nF). Die Unterschiede bei kleinen Drehwinkeln sind absolut betrachtet natürlich gleich. Aufgrund der logarithmischen Potentiometercharakteristik treten sie hier im Bereich von 0% bis 15% des Drehwinkels jedoch deutlicher in Erscheinung. Wenn sich unterschiedliche Kapazitäten im Hinblick auf die Linearität bemerkbar machen, dann also nur bei der Verwendung eines logarithmischen Potentiometers! Interessant wird es, wenn man eine Progression von nur 5% verwendet: Abbildung 23: Linearität der Anfangsresonanz mit logarithmischem Potentiometer (5%) Dieses kleine "Anfangsproblem" bei kleinen Drehwinkeln wird einem in der Praxis jedoch nicht begegnet, da die typischen logarithmischen Potentiometer für die Elektrogitarre eine Progression von 15% oder 20% aufweisen. 8.4 Wie es klingt...... kann man zum Beispiel im Forum "historiclespauls.com" gut nachvollziehen. Das Mitglied Ed hat dort am 20.02.2007 Klangbeispiele von vier verschiedenen Kondensatoren mit gleicher Nennkapazität veröffentlicht. Dabei besteht jedes Klangbeispiel aus 4 Teilen:
Der zweite Teil macht nicht wirklich Sinn, da hier auch der Einfluß der Potentiometercharakteristik auf die Linearität zu hören ist. Der gleiche Kondensator wird in dieser Einstellung mit einem logarithmischen Potentiometer also anders klingen, als ein lineares Poti! Den dabei entstehenden Klangunterschied dem Kondensator zuzuschreiben wäre also falsch! Man höre sich die verschiedenen Beispiel gut an und vergleiche dann mit den Ergebnissen meiner Überlegungen... John Cooper, ein US-amerikanischer Software-Ingenieur, hat ebenfalls entsprechende Versuche angestellt und in verschiedenen Videos bei YouTube veröffentlicht. Er verwendet im ersten Teil des Videos "Guitar Tone Capacitators" acht verschiedene Kondensatoren, deren Kapazität er auch bestimmt hat: Tabelle 4: Kapazitäten der verwendeten Kondensatoren im "Cooper-Versuch"
Hier die verschiedenen Videos:
Auch hier höre man sich die verschiedenen Beispiel gut an und vergleiche dann mit den Ergebnissen meiner Überlegungen... Große Unterschiede sind nicht wirklich zu hören und wer doch meint es zu tun, der sollte nicht vergessen, daß die Anschlagposition und die Anschlagbreite immer etwas variiert, auch wenn man sich noch so viel Mühe gibt. Beide Effekte erzeugen ein Kamm- und ein Spaltfilter, die schon bei wenigen Millimetern Abweichung zu Klangveränderungen führen. Vor diesem Hintergrund scheint es zumindest fraglich, irgendwelche Klangunterschiede dem Wirken des Kondensators anzulasten. Wer den Kamm- und Spaltfiltereffekten keine große Bedeutung zugestehen mag, der kann selber ein kleines Experiment machen: Man nehme ein weiches Plektrum und schlage mehrmals eine Saite an. Beginnend in unmittelbarer Stegnähe vergrößern wir den Abstand zum Steg mit jedem Anschlag. Ergebnis: Je weiter die Anschlagposition vom Steg entfernt ist, desto "voller" wird der Klang. Ersetzt man das Plektrum durch eine deutlich härtere Variante, so wird der Klang grundsätzlich weicher. Der Einfluß der Anschlagposition ist hier natürlich auch zu bemerken, nur auf einem "weicheren" Niveau. 8.5 SchlußfolgerungenUnterschiede bei verschiedenen Kondensatoren in der Tonblende? Ja, man kann Unterschiede wahrnehmen! Aber wie gezeigt wurde, sind hier weniger die nichtlinearen Eigenschaften der unterschiedlichen Bauformen die Ursache, sondern die streuende Kapazität. Der häufig zu findende Aussage, daß nur der Kondensator von diesem oder jenen Hersteller den originalen XY-Sound garantiert, sollte man daher sehr vorsichtig begegnen. Insbesondere, wenn es sich um einen Händler handelt, der sich das gute Stück teuer bezahlen läßt. Vernünftige Folienkondensatoren sind Cent-Artikel. In Ausnahmefällen kann der Preis schon mal in den Bereich eines Euros klettern, aber dann sollte wirklich Schluß sein! Alles andere ist pure Abzocke! |
SchlußwortIm Laufe der Jahre haben uns die Hersteller mit einer großen Anzahl von Tonblenden "verwöhnt". Wie gezeigt wurde, kochen alle nur mit Wasser und letztendlich machen alle Tonblenden das gleiche. Aus dieser Sicht besteht also kein akuter Bedarf, von der klassischen Schaltung abzuweichen oder gar teures Geld für neue und "bessere" Versionen auszugeben! Die Dimensionierung der Bauteile sollte jedoch keine "heilige Kuh" sein! Eine andere Kapazität oder eine andere Potentiometercharakteristik können schnell und preiswert zu hörbaren Veränderungen führen. Wer gewillt ist, hier etwas zu experimentieren, findet vieleicht "seinen" ultimaten Sound ohne hinterher ein Loch in der Tasche zu haben! |
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