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Der "Lawsuit"

Neben dem Begriff "Vintage" wird im Zusammenhang mit japanischen Instrumenten aus den 70er Jahren auch gerne der Begriff "Lawsuit" verwendet. Ursprünglich wurde "Vintage" nur im Zusammenhang mit amerikanischen Instrumenten bestimmter Baujahre benutzt. Heute ist fast jedes alte Instrument unabhängig vom Hersteller und Baujahr "Vintage". Damit soll in der Regel der Eindruck erweckt werden, daß es sich um ein besonders gutes Instrument handelt, was aber längst nicht immer der Fall ist. Gleichwohl wird heute mit der Verwendung dieses Begriffes versucht, die Preise für gebrauchte Gitarren aller Art künstlich zu erhöhen.

Der Begriff "Lawsuit" (engl. Rechtsstreit) wird heute im Zusammenhang mit alten japanischen Modellen gerne aus genau dem gleichen Grund verwendet. Den wenigsten Anwendern scheint jedoch klar zu sein, was sich hinter diesem Begriff tatsächlich verbirgt. Die Klärung dieser Frage ist Gegenstand des folgenden Artikels.


Vorgeschichte

Die Geschichte des "Lawsuit" beginnt im Jahre 1954 im US-Staat Pennsylvania mit der Eröffnung eines Musikgeschäftes durch Harry Rosenbloom. Dieser hatte jedoch schon bald ein Problem: Seine Lieferanten waren nicht in der Lage, zeit- und bedarfsgerecht die gewünschten Instrumente zu liefern und Herr Rosenbloom war seinerseits nicht Willens, beispielsweise drei Jahre auf neue Martin-Gitarren zu warten. Also krempelte er, gemäß dem amerikanischem Traum, die Ärmel hoch und gründete kurzerhand eine eigene Firma zur Produktion von Gitarren. Diese erhielt nach seinen Kindern, Ellen und Gerson, den Namen "Elger Guitars".

Erste Instrumente wurden 1959 produziert doch schon bald stellte sich heraus, daß hier wirkliche Fachleute gefragt waren. Also wurde kurzerhand der deutschen Geigenbauer Karl Müller eingestellt, unter dessen Leitung dann bis 1964 die Instrumente in Handarbeit gefertigt wurden. 1964 wurde die Produktion eingestellt und "Elger Guitars" begann statt dessen mit dem Import von Instrumenten. Schon nach kurzer Zeit besaß die Firma die Exklusivrechte für den Vertrieb des japanischen Herstellers "Hoshino Gakki Ten". Im Gegenzug erhielt Hoshino eine Beteiligung von fünfzig Prozent an "Elger Guitars".

Zu dieser Zeit hatten Gitarren aus japanischer Produktion noch keinen besonders guten Ruf. Aus diesem Grund entschied sich Rosenbloom dafür, unbedingt einen nichtjapanischen Namen für seine Produkte zu verwenden. In diesem Zusammenhang war es günstig, daß "Hoshino" gerade eine kleine spanische Gitarrenmanufaktur mit dem Namen Ibanez gekauft hatte, deren Name nun verwendet wurde. Interessanterweise stammen die Elger-Instrumente von 1965 bis 1970 alle aus japanischer Produktion und weisen große Ähnlichkeit mit den Ibanez-Modellen aus den frühen 70er Jahren auf. 1971 übernahm "Hoshino" die Firma "Elger Guitars" vollständig, die fortan unter dem Namen "Ibanez USA" firmierte.

"Hoshino" war bemüht, die Marke Ibanez erfolgreich am Markt zu etablieren. Da so ein Unterfangen auch heute noch für einen unbekannten Hersteller nicht einfach ist, beschloß man, sich zunächst ausschließlich nach den Anforderungen des Marktes zu richten. Folglich war es das erklärte Ziel, die besten Kopien der amerikanischen und englischen Gitarren herzustellen und zu vertreiben. Ein vergleichbares Verhalten war auch bei vielen anderen japanischen Herstellern aus dieser Zeit zu beobachten.

Jeff Hasselberger, ein ehemaliger Elger-Mitarbeiter, war von 1973 bis 1982 maßgeblich an der Entwicklung der Modellpalette bei Ibanez beteiligt. Unter seiner Anleitung wurden zunächst die Kopien entwickelt. Sie waren aus verschiedenen Gründen aber deutlich günstiger, als die Originale und wurden deshalb mehr und mehr gekauft. Die Preise für die verschiedenen Instrumente bewegten sich zwischen 30% und 70% der Originale. Mit steigender Qualität wuchs dann zwangsläufig auch das Interesse des Marktes an diesen Instrumenten. Harry Rosenbloom soll in diesem Zusammenhang einmal gesagt haben:

Zitat Harry Rosenbloom:
Make a guitar that looks great and similar to a big name guitar and people will buy it!

Diese Strategie ging im Laufe der Zeit tatsächlich auf.


Der Streit

Vermutlich hätte die Firma Gibson in den 60er Jahren, ob der schlechten Qualität der japanischen Produkte, kaum Notiz von ihren fernöstlichen Konkurenten genommen. Das sah man im Norlin-Konzern, zu dem Gibson von 1969 bis 1986 gehörte, allerdings ganz anders. Hier hatten die Controller die Führung übernommen, die mit spitzem Bleistift den Gewinn um jeden Preis optimieren wollten. Das hatte natürlich auch Konsequenzen für die Produktqualität. Nicht ohne Grund haben die Instrumente aus der "Norlin-Ära" teilweise einen sehr schlechten Ruf. Aufgrund der nur noch mittelmäßigen Fertigungsqualität seitens Gibson und den immer besser werdenden japanischen Herstellern, rückten die Produkte langsam aber sicher aufeinander zu, ein Problem, von dem auch die unter der Führung von CBS stehende Firma Fender betroffen war.

Im gleichen Maße wie die Umsätze der japanischen Hersteller stiegen, stagnierte oder sank sogar der Umsatz bei Gibson und Fender, denn viele junge Musiker hatten zwar den festen Willen, aber schlicht und ergreifend nicht das Geld, um sich eine originale Fender oder Gibson zu kaufen. Da griff man dann dankbar und immer häufiger zu asiatischen Kopien, die darüber hinaus mit jedem Jahr besser wurden.

Statt jetzt die Qualität wieder zu verbessern, was ja einer Verringerung des Gewinns gleich gekommen wäre, ging man bei Norlin den rechtlichen Weg und reichte am 28.06.1977 in Philadelphia eine Klage gegen die Firma Elger ein. Grundlage war die Form des Kopfes (Headstock) vieler Gibson-Gitarren, die von Norlin jetzt als Markenzeichen beansprucht wurde.

Der Kopf einer Ibanez-Gitarre aus der "Pre Lawsuit-Ära"

Angeblich hatte sich Gibson schon längere Zeit mit Elger/Ibanez bezüglich der Kopfform im Streit befunden. Interessanterweise wurde der Kopf bei Ibanez bereits im Herbst 1976 verändert. Er hatte jetzt mehr Ähnlichkeit mit den Köpfen der Guild-Gitarren und wurde 1976 erstmalig in den Katalogen dokumentiert. Man stritt sich hier also um längst vergangene Dinge!

Im Buch "Guitar Stories. The Histories of Cool Guitars" schreibt der Autor Michael Wright, daß Gibson mit dem Prozess vorhatte, die Präsentation von Ibanez-Gitarren mit dem Gibson-Kopf 1977 auf der Musikmesse in Atlanta zu verhindern. Da Jeff Hasselberger jedoch schon 1976 damit begonnen hatte, neue Designs für das folgende Jahr zu entwickeln, ging dieser Plan nicht auf. Deutlich vor dem Einreichen der Klageschrift, stellte Ibanez in schneller Folge die Performer-, die Studio- und die Musician-Serie vor, die allesamt deutlich von den amerikanischen Produkten abwichen und darüber hinaus mit einer ganzen Reihe von Verbesserungen aufwarten konnten. Der Prozess hatte damit quasi seine Grundlage verloren. Ein Jahr früher hätte die Situation ganz anders ausgesehen und für Ibanez in den USA vermutlich zu einem großen Problem werden können.

Letztendlich wurde ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen in dem "Ibanez USA" erklärt, in Zukunft den "Open Book" Headstock von Gibson nicht mehr zu verwenden und auch die Nutzung gleicher oder sehr ähnlicher Modellnamen zu vermeiden. Im Februar 1978 teilte man öffentlich den Produktionsstop der Kopien mit. Damit war bei Ibanez eindeutig eine neue Ära angebrochen. Mike Shimada, der seit fast 30 Jahren für Ibanez als Verkaufleiter tätig ist, sagte dazu:

Zitat Mike Shimada:
Letztendlich war das alles gut für uns. Mit dem Rechtsstreit gaben sie uns den Anstoß, vorwärts zu gehen und zu begreifen, daß wir unsere eigenen Produkte entwickeln mußten.

Für Ibanez ging es nach diesem Prozess also voran. Der Plan von Gibson, den unliebsamen Konkurenten aus dem Land der aufgehenden Sonne zu schwächen, war nicht aufgegangen, sondern hatte sich ins Gegenteil verkehrt.


Zusammenfassung

Um den Begriff "Lawsuit" ranken sich eine ganze Reihe von Legenden, die man immer wieder lesen kann. Fakt ist, daß es sich hierbei nur um einen Rechtsstreit zweier amerikanischer Firmen handelt, dessen Ergebnis keinerlei rechtliche Auswirkung auf den weltweiten Vertrieb von Ibanez und anderen japanischen Hersteller hat. Instrumente mit dem "Open Book" Headstock konnten also weiterhin außerhalb der USA verkauft werden. Alles andere ist schlicht und ergreifend ein Märchen!

Der Kopf des Originals und zweier japanischer Kopien aus der "Pre Lawsuit-Ära"

Obwohl nur der Vertrieb von Ibanez-Instrumenten in den USA von dem Vergleich betroffen waren, nahmen viele japanische Hersteller dieses Verfahren zum Anlaß, die Qualität ihrer Instrumente weiter zu verbessern und auch eigene Entwürfe zu bauen. Das Jahr 1978 stellt also bei vielen "Japanern" eine Art Zäsur dar. Neben Ibanez ist die Firma "Arai" mit den Marken Aria und "Aria Pro II" ein weiteres Beispiel für einen Hersteller, der in den 80er Jahren förmlich aufblühte und Instrumente auf höchstem Qualitätsniveau produzierte.

Wenn man heute eine sogenannte "Pre Lawsuit"-Gitarre vor sich hat, sollte man sehr aufmerksam sein. Eigentlich darf dieser Begriff nur für Instrumente mit dem "Open Book" Headstock verwendet werden, die in der Zeit von 1965 bis 1976 von der Firma "Elger Guitars" oder "Ibanez USA" in den Vereinigten Staaten unter dem Label "Elger" oder Ibanez vertrieben wurden.

Gleichwohl auch viele andere japanische Hersteller diesen Kopf in der fraglichen Zeit verwendeten, waren sie von dem Streit nicht betroffen. Eine "Pre Lawsuit" Aria, Tokai, Electra,... gibt es also definitiv nicht! Wer den Begriff "Lawsuit" in diesem Zusammenhang verwendet, hat vermutlich nur das Ziel, den Preis hochzutreiben, was angesichts der vielen ahnungslosen und begriffsgläubigen Gitarristen häufig und leicht gelingt!

Darüber hinaus darf man nicht vergessen, daß die japanischen Instrumente aus dieser Zeit keinesfalls mit der Qualität ihrer Nachfolger aus den 80er Jahren zu vergleichen sind. "Pre Lawsuit" ist in diesem Fall also nicht zwingend ein Qualitätsbegriff!

Ulf

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